Engineering Update zur Dampfmaschine

Berechnung der Dampfmaschine für den neuen Raddampfer für Untersee und Rhein

von Robert Horlacher

Die DLM AG hat Ende März 2020 den erwarteten Bericht zur Berechnung der Dampfmaschine abgeliefert. Im Vorwort steht, dass der Aufwand für die Berechnung einer Zweizylinder-Verbundmaschine jenen einer Zwillingsmaschine (z. Bsp. Maschine DS „Montreux“ auf dem Genfersee) um einen „gefühlten“ Faktor 10 übersteigt. Der Bericht bestätigt diese Aussage. Woher kommt das, und wie wurde vorgegangen?

Bei einer Verbundmaschine dreht sich „alles“ um den Verbinder (manchmal auch Receiver genannt). Das ist der Raum zwischen dem Hochdruck- und dem Niederdruckzylinder. Er nimmt den Abdampf des HD-Zylinders auf und stellt diesen dem ND-Zylinder zur Verfügung. Die Verhältnisse (Druck und Temperatur) im Verbinder ändern dauernd. Zu berücksichtigen sind die Ausströmphasen (hinten und vorne) des HD-Zylinders und die Einströmphasen des ND-Zylinders während denen die Dampfdaten (vor allem der Druck) laufend ändern. Wesentlich ist auch der Auslegungs-Trenndruck zwischen dem HD- und dem ND-Zylinder, damit die Leistungsverteilung der Zylinder im ganzen Arbeitsbereich der Maschine stimmt.

Zur Blütezeit der Kolbendampfmaschine wurden derartige Maschinen selbstverständlich auch berechnet. Das Verfahren ist bekannt, nur sind die Unterlagen, welche es zum Beispiel Sulzer ermöglichten optimale Maschinen zu konstruieren nicht mehr vorhanden. Die DLM hat deshalb ein Computerprogramm erstellt mit dem man den ganzen Dampfprozess ohne die alten Unterlagen optimieren kann. Dieses Programm wurde mit den Werten einer gut vermessenen und dokumentierten Verbundmaschine von 1911 validiert. Die Übereinstimmung war sehr gut, und in der Folge wurden zur Optimierung der Maschine über 30 Varianten gerechnet. Dabei wurde auch der bei einem Flussdampfer wichtige Teillastfall betrachtet.

Bei einer Drehzahl von 50 Umdrehungen pro Minute (Volllast) und einem Kolbenhub von 800 mm (von der alten „Schaffhausen“ übernommen) ergaben sich für die Zylinder Durchmesser von 360 mm (HD) und 800 mm (ND). Der ND-Zylinder expandiert wie bei der alten „Schaffhausen“ in einen Kondensator. In einem ersten Schritt wurde ein Oberflächenkondensator angenommen, welcher sich im Gegensatz zu einem Einspritzkondensator (Standard bei den Schweizer Raddampfern) besser für eine Fernbedienung der Maschine eignet.

Dieser Bericht wird durch einen ersten Entwurf der Maschine ergänzt. Man muss davon ausgehen, dass sich noch einiges ändert. Wesentliche Elemente sind die HD- und ND-seitigen Kolbenschieber, die Kulissensteuerung, die für eine Sulzer-Maschine typischen Kreuzkopfführungen, der hochliegende Vorwärmer und der Oberflächenkondensator. Im Gegensatz zur „Montreux“ mit der konzeptbedingten Joy-Steuerung wird diese Maschine wieder Exzenter haben. Roger Waller und der Verfasser haben etwa den gleichen Jahrgang, und interessanterweise sind unsere ersten Wahrnehmungen der Dampfschiffmaschinen mit diesen magischen Exzentern verbunden. Beim Verfasser kam noch der typische Geruch des Schmieröls dazu. In der Darstellung fehlen noch die so schönen Ölbecher. Die braucht es zwar nicht, weil es für eine Maschine ohne Maschinenraumpersonal andere Lösungen gibt. Wie bei der „Montreux“ werden sie zumindest die Hauptkurbellager zieren und ebenfalls so dimensioniert werden, dass sie nur einmal täglich nachgefüllt werden müssen. Die neue Dampfmaschine soll zwar rational und wirtschaftlich sein, dabei aber nicht an Attraktivität verlieren.

Zur Zeit ist die DLM dabei die Maschine zu konstruieren. Die dadurch resultierenden Gewichte sind ein wesentlicher Input für die verschiedenen Berechnungen des Schiffbauers.

Entwurf der Gesamtdisposition der projektierten Dampfantriebsanlage für den neuen Raddampfer. Der Bunker für die Pelllets befindet sich rechts vom Dampfkessel. Zeichnungen: DLM AG.

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